Hel en Hemmel. De Middeleeuwen in het Noorden

Hel en Hemmel. De Middeleeuwen in het Noorden

Veranstalter
Peter Greenaway in Zusammenarbeit mit dem Groninger Museum / NL (16501)
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16501
Ort
Groningen
Land
Netherlands
Vom - Bis
14.04.2001 - 02.09.2001

Publikation(en)

Knoll, Egge; Jos. M. M. Hermans, Matthijs Driebergen (Hrsg.): Hel en Hemmel.. De Middeleeuwen in het Norden. Groningen 2001 , ISBN 90-71691-53-538 233 S. 38 Gulden
Eva-Maria Butz, Universität Dortmund Historisches Institut

Peter Greenaway nimmt sich einer mittelalterlichen Ausstellung an! Schon alleine diese Nachricht lässt aufhorchen, weckt Neugier. Wie kann der Filmregisseur ohne Leinwand und Kamera das Mittelalter darstellen? Eine Ausstellung als begehbare Bühne der Geschichte? Wie mag es ihm gelingen, das Thema "Hölle und Himmel - Das Mittelalter im Norden" zu gestalten? Wer sich also nicht nur wegen der friesischen und nordniederländischen mittelalterlichen Geschichte auf den Weg in den Norden begeben mag, der wird sicherlich durch den großen Namen Greenaway angezogen.

Wie geht Peter Greenaway an das Mittelalter im Norden heran? Er selbst, so berichtet er, war fasziniert von den Funden der Gebeine der Mönche von Aduard. Er stellte sich die Frage, wie die Menschen des Mittelalters in ihrer Zeit, immer den Tod vor Augen, lebten. Der mittelalterliche Mensch im Spannungsfeld von Hölle und Himmel, in Auseinandersetzung mit der ihm feindlich gesinnten Natur, der ständig drohende Tod durch Hunger oder Krieg weckten sein Interesse. Sexualität und Tod, die beiden Pole, um die es sich laut Greenaway im Leben immer dreht, werden auch in der Ausstellung thematisiert.

Während für Greenaway die Gebeine als Zeichen des Todes im Mittelpunkt der Schau stehen, bildet für die Historiker die Chronik des Emo von Huizinga aus dem 13. Jahrhundert, und mit ihr vor allem die Schriftkultur, das Zentrum der Ausstellung.
Schon im Voraus sei erwähnt, dass alle Räume in unterschiedlichen Farben gehalten sind und Peter Greenaway vor allem mit akustischen und Lichteffekten arbeitet. Dies ist für den an einzelnen Objekten interessierten Besucher streckenweise störend und irritierend, doch hilft das Aufsichtspersonal gerne mit Taschenlampen aus!

Es gibt nur ein geringes Maß an Beschriftung. Die Themen und Motive der einzelnen Abteilungen sind nicht durch Tafeln kenntlich gemacht, und an den Objekten fehlen erläuternde Texte. Dies entspricht dem Konzept Greenaways, der durch Bilder und Symbolik vermitteln will und Schrift vermeidet, um dem Betrachter visuelles Erleben zu ermöglichen. Die Bedeutung der Installationen kann vielfach nur aus Zeichen wie Farben, Klang, Ausstellungsobjekte und Atmosphäre des Raumes (bzw. durch spätere Lektüre des Katalogs oder der Museumszeitung) erschlossen werden.

Der Eingangsbereich ist weiß gehalten und wurde von dem Kalligraphen Brody Neuenschwander gestaltet. Die Wände links und rechts des Eingangs sind durch einen Zeitstrahl gegliedert, an dem in Nachahmung mittelalterlicher Schriften Nachrichten aus der damals bekannten Welt (rechts) und aus der Region Groningen (links) verzeichnet wurden. Diese Zeitleisten werden auch im nächsten Raum weitergeführt. Zudem befinden sich links und rechts des Eingangs noch jeweils zwei Glasvitrinen. Die eine ist schwarz, die andere mit Federkielen gefüllt. Es handelt sich offenbar um Symbole dafür, dass die dunkle Vergangenheit durch die auf uns gekommenen Schriftzeugnisse erhellt werden kann.

Der erste Raum der Ausstellung ist dunkelblau. Es gibt kein zentrales Licht, sondern die Objekte werden einzeln, aber nicht alle zur gleichen Zeit beleuchtet. Das Licht geht nach einiger Zeit wieder aus, geht an anderer Stelle wieder an, ohne dass es richtig hell wird. Es ertönt Musik, in erster Linie gregorianische Choräle, aber auch Monteverdi. Die Vitrinen erscheinen in vier Reihen gleichmäßig angeordnet.
Dieser Raum soll ein Skriptorium andeuten, in dem es oftmals nicht recht hell gewesen sei. Hier findet sich eine ganze Reihe von Handschriften, wie beispielsweise Fragmente einer Grammatik von 1463, ein Psalter in Mittelniederländisch, Gebets- und Stundenbücher aus dem 15. und 16. Jahrhundert, Chartularien oder die Chronik von Tabor vom Ende des 15. Jahrhunderts, welche die Geschichte von Holland, Zeeland und Friesland zum Inhalt haben. Darüber hinaus sind aber auch noch andere Gegenstände zu sehen, die mit Schreiben und Schriftlichkeit in Verbindung stehen, wie Federhalter und Tintenhorn, Überreste eines Bucheinbandes oder einige Buchstabensteine aus dem Kloster in Aduard, die, in das Mauerwerk eingelassen, möglicherweise zu einem Gedicht gehörten.

Bereits jetzt wirkt die Hintergrundmusik irritierend, die Beleuchtungseffekte stören, und kaum einer der Besucher bringt genügend Geduld auf, vor den jeweiligen Objekten auf "Erhellung" zu warten. Von diesem Raum aus gelangt man in das Zentrum der Ausstellung, zur Chronik des Emo von Huizinga.

Dieser Raum ist in weiches, helles Licht getaucht, die Musik dauert an. Man geht direkt auf die Chronik von Wittewierum zu, das Kernstück der Ausstellung. Sie wurde von Emo, dem ersten Abt des Kloster Bloemhof, verfasst und nach seinem Tod 1231 von seinem Nachfolger, Abt Menco, fortgesetzt. Diese Chronik ist das wichtigste Zeugnis für die Geschichte der Küstenregion im 13. Jahrhundert. Sie berichtet u.a. von der Marcellus-Flut des Jahres 1219, einem Erdbeben 1225, von der Sturmflut des Jahres 1249 und der im gleichen Jahr aufgetretenen Viehseuche sowie von Missernten. In ihr wird die Angst der Menschen vor der unberechenbaren und unbezwingbaren Natur deutlich.
Der Blick des Betrachters verweilt nicht lange auf der Handschrift, denn auf einer überdimensionalen Leinwand direkt vor seinen Augen wird geschrieben. Man sieht zwar weder Hand noch Feder, dennoch hat man das Gefühl, dem Schreiber direkt über die Schulter zu blicken, Zeuge der Produktion zu sein. Der Raum wird durch die "Schreibwand" getrennt. Im hinteren Bereich findet sich wieder eine Videoinstallation, diesmal zweimal sechs Felder untereinander, auf denen das Schreiben mit Feder anhand der einzelnen Buchstaben des Alphabets und zusammenhängender Texte gezeigt wird. Im wechselnden Hintergrund erscheint auch Wasser, das hauptsächliche Naturelement im Norden. An den Wänden links und rechts sind die Seiten der Chronik des Emo als von hinten beleuchtete Wandtapete angebracht.

Die Vitrinen, die am Rand aufgestellt sind, enthalten weitere Handschriften, die zum einen dem Thema Zeit zuzuordnen sind, zum zweiten dem Bereich Musik. Chroniken und Jahrbücher, eine Geschichte von Groningen vom Ende des 15. Jahrhunderts sind ebenso zu nennen, wie Abschriften der Chronik von Wittewierum, Chartularien, Missale und das Verbrüderungsbuch der Kalenderbroederschap von Groningen. Zudem sind in der Ausstellung beinahe alle bekannten Musikhandschriften der Region zu sehen.

Von der Handschrift des Emo aus haben die Besucher die Möglichkeit, sowohl nach links als auch nach rechts zu gehen. Hölle oder Himmel.

Den Eingang zum Themenbereich bildet eine Vitrine mit zahllosen Hundeschädeln, welche die Höllenhunde verkörpern sollen. Der erste Raum zeigt lediglich einen gedeckten Tisch hinter Maschendraht, auf dem neben unterschiedlichen Essgeräten auch Obst, Gemüse und Wurst angerichtet sind. Eine reichlich gedeckte Tafel - vielleicht die Henkersmahlzeit? Im Hintergrund sind an der gesamten Wand Tongefäße gestapelt, davor eine schmale Rinne aus Metall mit Wasser, in der sich kleine Wasserräder drehen. Der Besucher bleibt hier ratlos. Die Installation ist nicht verständlich, und dass dieser Raum dem Thema Gier gewidmet sein soll, kann man nur dem Katalog entnehmen.

Von hier aus geht es über eine Rampe in ein Gewirr von Gängen mit gelben Wänden, die an Katakomben erinnern. Es gibt allerlei unterschiedliche Dinge zu finden, die teilweise in Nischen untergebracht sind. Vor allem Fundstücke mit sexueller Konnotation gaben diesem Raum wohl das Motto "Verführung" (laut Katalog). Hierzu gehören unter anderem zwei "Phallus"-Figuren, über deren Funktion allerdings nichts gesagt werden kann, oder Schachfiguren, deren Königin eine ausgeprägte weibliche Brust aufweist. Auch Schmuckstücke und Münzschätze haben hier ihren Platz gefunden.. Offenbar wird adlige Lebensweise auch unter dem Blickwinkel der Verführung betrachtet, womit sich erklären ließe, daß auch Grabplatten und Kacheln mit Wappen adliger Familien ausgestellt sind. Die Präsentation von Jesus-Darstellungen in Holz und Stein an dieser Stelle soll wohl auf die letzte Hoffnung einer möglichen Erlösung hindeuten und erweckten bei der Betrachterin den leisen Verdacht, dass in diesem Bereich all das ausgestellt wurde, was keinen anderen Platz gefunden hat. Aus dem Gängegewirr führen zwei Ausgänge, der eine führt in Greenaways Zentrum der Ausstellung, den Gebeinraum, in den Tod.

Auf Tischen an den Wänden sind die Gebeine aus Aduard gestapelt, davor wieder die Wasserrinnen, offenbar eine Umsetzung der Nähe zum Meer. In der Mitte ein "Gebeinmagazin", in dem einzelne Knochen in Plastiktüten verpackt und archiviert an einem Ständer hängen. Aus diesem Raum, der im Zentrum der übrigen Räume liegt, gelangt man sowohl zurück in die "Verführung" als auch in den Raum "Recht und Wissen" wie zum Saal "Heilige".

Ein zweiter Weg bringt die Besucher von den Katakomben auf die letzte Stufe des Themas, in die Hölle. In diesem Raum blubbert und kracht es. Kanonendonner und schwarze Wände sowie wenig Licht erzeugen eine düstere Stimmung. Neben Vitrinen, die in erster Linie Waffen (Schwerter und Dolche) zeigen, sind viereckige Säulen mit Wasser aufgestellt, die von Zeit zu Zeit zu blubbern anfangen und sich rot färben. Eine Anspielung auf den blutigen Krieg und das unheilbringende Wasser des Meeres?

Nun betritt man, auf der Suche nach dem himmlischen Bereich, einen Raum, der vor allem durch eine lange Reihe von Urkunden, die wie auf Bügeln nebeneinander hängen, die Aufmerksamkeit erregt. Schön, die Idee, die Stücke in Plexiglas hängend zu präsentieren, damit der Betrachter Vorder- und Rückseite sehen kann. Allerdings sind sie so eng gehängt, dass man sie nur mit Mühen auch betrachten kann. Zuvorderst ist die Urkunde des Groninger Friedens von 1422 zu finden, die durch mindestens zwanzig anhängende Siegel den Blick auf sich zieht. Ansonsten mögen die Urkunden hier eher allgemein für eine Form rechtlicher Niederschrift stehen. Der Raum beherbergt in zwei Nischen zum einen eine Anzahl von Rechtscodices, von denen hier das Friesische Landrecht oder der Hunsinger Codex stellvertretend genannt seien. An einer Wand sind in einer schmalen Vitrine zahlreiche Siegelstempel zu sehen, unter anderem der Stadt Groningen von 1245, der Landschaft Hunsingo aus dem 15. Jahrhundert oder verschiedener Klöster. In der zweiten Nische finden sich Schriften antiker Autoren (Plinius, Tacitus, Horaz), von dem Groninger Humanisten Rudolf Agricola abgeschrieben, sowie vom Gelehrten selbst verfasste Texte. An der Stirnseite dieses Raumes sind mittelalterliche Münzen aus der Region Nordniederlande und Ostfriesland präsentiert. Von diesem Raum steht dem Besucher - wie bereits erwähnt - der Weg in das Gebeinhaus offen. Ein weiterer Weg führt in den Bereich des Himmels.

Dem Thema Himmel sind ebenso wie der Hölle drei Räume gewidmet. Der erste Raum ist in wohltuendem Weiß gehalten und steht unter dem Motto "Reinigung". Er wirkt gegenüber den anderen Räumen geradezu luftig. Hier finden sich ein Taufbecken, ein gedruckter Ablassbrief aus dem Jahr 1478, eine theologische Sammelhandschrift zum Thema Exorzismus, unterschiedliche Pilgersouvenirs wie Ampullen oder kleine Zinnbilder, Kruzifixe, aber auch Aquamanile und ein Bronzeschatz aus Kerzenhaltern unterschiedlichster Ausführung aus dem Kloster Godshof.
Nach der "Reinigung" betritt man einen dunkelroten Raum, in dessen Mitte wie auf einem Schachbrett architektonische Reste von Plastiken ausgelegt sind. Der Raum selbst erinnert an eine Krypta und ist auch den Heiligen gewidmet. Fragmente von Plastiken mit der Darstellung von Petrus, Moses oder Johannes sind neben Marienstatuen aus Holz ausgestellt. Besonders bemerkenswert sind die Apostelköpfe, die als Relief in ein Kupferblech getrieben wurden und ihren ursprünglichen Platz wohl an einem Reliquienschrein oder anderem kirchlichen Mobiliar hatten.

Auch aus diesem Raum kann man in das Gebeinhaus gelangen. Ein weiterer Durchgang führt in den letzten Bereich der Schau, in den Himmel.
Die Wände des Raumes sind goldgelb, die Musik wird nun wieder eindringlicher. Die Kirche als himmlischer Platz auf Erden steht nun im Vordergrund. Hier finden sich zahlreiche farbenprächtig gestaltete Gebets- und Stundenbücher als Zeichen individueller Nähe zu Gott. Monstranz, Messkelch, eine Altardecke und ein Antependium weisen hingegen auf den gemeinsamen Gottesdienst in der Kirche hin.

Von diesem letzten Raum des Himmels gelangt der Besucher wieder zur Chronik des Emo und verlässt die Ausstellung über das Skriptorium.

Filmregisseur und Objekte des Mittelalters aus der Region Nordniederlande und Friesland treffen aufeinander. Peter Greenaways Mittelalterinszenierung bietet meiner Meinung nach einiges. Es ist ein Erlebnisrundgang, der aber die Besucher leider nicht zu oft zum Verweilen vor den Vitrinen einlädt. Viele lassen Farben, Musik und Raumgestaltung auf sich wirken und gehen dann weiter, ohne die Ausstellungsobjekte wirklich wahrgenommen zu haben. Das wird zum Teil auch an den fehlenden Erläuterungen und Erklärungen liegen. Die Objekte treten in den Hintergrund und werden von der theatralischen Installation überdeckt. Dabei sind in dieser Ausstellung eine große Anzahl bedeutender Schriften und Kunstgegenstände ausgestellt, welche von der Geschichte Groningens, der Region Friesland und den Nordniederlanden erzählen können. Genau hier ist wohl die deutlichste Kritik anzusetzen. Die Inszenierung schafft es nicht, die Objekte in Bezug zur Region zu setzen. Die Stücke der Ausstellung bleiben im Rahmen von Greenaways Mittelalter beliebig. Der Schau alleine gelingt es nicht, den Menschen das Mittelalter IHRER Region nahezubringen. Beispielsweise hätte die Gefahr des Meeres durchaus eindringlicher symbolisiert werden können.

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